Kinder/Jugendliche

Kennst du ein Wort mit 35 Buchstaben? Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie
von Karen M. Rauch, KJP Bielefeld

Ich stell mir vor, ich soll da hin …
… bin ich 15 oder 16 Jahre alt und noch dazu ein Mädchen, dann will ich’s vielleicht sogar selbst. – Weil ich unglücklich bin und gar nicht mehr weiter weiß und obwohl ich mich total schäme.- Dann google ich mich vielleicht durch Wikipedia und finde dort eine Erklärung für dieses komische Wort mit 35 Buchstaben: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Ich kenn‘ nur das Wort Seelenklempner, das hat 14 Buchstaben. Und was ist überhaupt eine Seele, und dann noch eine, die heil gemacht werden soll?
Na vielleicht krieg ich das raus, wenn ich da hingehe…

… bin ich so um die 12 Jahre alt und noch dazu ein Junge, dann will ich davon bestimmt nichts wissen. Und wenn ich dann trotzdem da hin muss, dann werde ich schweigen wie ein Grab, meine Arme ganz eng um mich verschränken, mit dem Stuhl kippeln und die ganze Zeit nach unten gucken. Am besten vorher noch meinen langen Pony nach vorne kämmen. Ha, das woll´n wir doch mal seh’n. Und total genervt von meinen Eltern wär‘ ich auch. Soll´n die doch allein hingehen zu dieser 35-Buchstabentherapie. – Was ich noch nicht wüsste, wäre, dass die Eltern das auch müssten, dort auch allein hingehen. Denn niemals hat jemand eine kranke Seele ganz von allein und nie wird eine Seele so richtig gesund und kann gedeihen, wenn da niemand anderes ist, der sie pflegt, so wie ein kleines Pflänzchen gegossen werden muss, damit es wachsen kann. Das heißt aber nicht, dass die junge Pflanze keine Aufgaben dabei hat und sich selbst nicht anzustrengen braucht, auch wenn es ihr manchmal langweilig dabei ist oder einfach alles nur doof. Nein. Aber sie will ja wachsen und Lust haben am Großwerden und merken, dass sie ganz schön stark sein kann. Und dann kann es für sie auch normal werden, zwischendurch mal voll der Schwächling zu sein. Wie wenn man eine Allerweltsgrippe hat: Nach ein paar Tagen geht es einem wieder gut. – Na; jedenfalls müsste ich mit 12 schon ganz schön mutig sein, um da hinzugehn …

… bin ich 7 Jahre alt oder etwas darunter oder darüber, dann bräuchte ich jemanden, der mir das Ganze richtig gut erklärt. Man müsste mir schon sagen, dass eine Seele in mir wohnt, auch wenn ich sie nicht sehe, aber Bilder in der Vorstellung kann ich mir von ihr machen. Mein Körper wäre dann ihr Haus. Und wenn es dem Körper nicht gut geht, dann fühlt sich auch die Seele schlecht. Und wenn meine Seele leidet, dann spürt das auch mein Körper. Daher kommt es, wenn ich nachts in mein Bett mache oder in der Schule nicht aufpassen kann oder mich ganz doll ärgern lasse und vielleicht auch selbst ganz hundsgemein bin. Wenn die Seele in meinem Körper unglücklich ist, dann krieg ich ganz doofe Gefühle, ich werde schwer wie ein alter Stein und schlaff wie ein nasser Sack. Ich kann vielleicht nicht mehr schlafen und hab Angst vor meinen Träumen, verwandle mich in einen Trauerkloß oder weiß gar nicht mehr, wohin mit meiner Wut auf mich und diese ganze blöde Welt. Am liebsten würde ich dann bestimmt gar nicht da sein wollen, aber das geht ja nicht, weil dann andere traurig wären und ich bin schuld. Ob meine Eltern mich wohl vermissen würden? Eigentlich will ich ja gar nicht tot sein, dann müsste ich ja immer schlafen und hässlich träumen. Ich könnte dann nie mehr Fußball spielen und ich würde von meiner Lieblingssendung die nächste Folge verpassen. Vielleicht geh‘ ich doch mal mit Mama oder Papa dahin. Am tollsten wär’s ja mit beiden. Dann hat meine Seele bestimmt mehr Mut, ihre Bilder zu zeigen, wenn da noch zwei Seelen mit ihren Häusern dabei sind. Drei Schnecken mit ihren Häusern auf ihren Rücken kriechen doch auch viel lieber zusammen durch das Gemüsebeet, oder? Ob der Mann oder die Frau Psüterapoit wohl auch eine Seele hat, die er in seinem Körperhaus wohnen lässt?

 

Mit freundlicher Genehmigung von Karen M. Rauch